Wer hat Angst vorm bösen Wolf?

Der Jäger hat den Wolf erlegt, Steine in dessen
Bauch eingenäht, Rotkäppchen und Großmutter sind befreit.

(Illustration von Arpad Schmidhammer, um 1910)

Er ist schon mal da gewesen, der Wolf. Kaum wird er hierzulande wieder gesichtet, geht die Diskussion los. Sollen wir ihn dulden und lassen, oder abschießen und vertreiben? Mit der Zuwanderung des Wolfes gibt es auch wieder die alten Konflikte zwischen Viehhaltern und Raubtier. Als man im 19. Jahrhundert systematisch die Ausrottung der Wölfe betrieb, gab es wohl keinen Widerspruch aus der Bevölkerung. Mit dem modernen Verständnis von Ökologie hat sich das inzwischen verändert. Angst vor gerissenem Vieh oder Freude über die Zuwanderung eines Raubtiers, das seit mehr als 140 in Deutschland als ausgerottet galt, was wiegt mehr?

Seit 1814 wurde in der Eifel die systematische Ausrottung der Wölfe durch verstärkten Abschuß, Fanggruben und Vergiftung betrieben. Der Staat zahlte für jedes erlegte Tier eine Prämie. Die Landbevölkerung wurde im 19. Jahrhundert zur Teilnahme an Wolfsjagden mit Hunden, Äxten und Beilen verpflichtet. [1]

Seit den Zeiten Äsops steht der Wolf auch auf der literarischen Abschussliste. Er ist der „Mörder kindlicher Unschuld“, weil er mit fadenscheinigen Begründungen Lämmer reißt [2] und erst dann aufhört ein  listiger, blutgieriger und erbarmungsloser Feind des Menschen zu sein, wenn er alt geworden ist und sich wegen seiner schlechten Zähne als Hütehund verdingen will. [3] Und als Geschichtenleser freuen wir uns, wenn Isegrim in seiner Scheinheiligkeit überführt wird und er bestraft wird. Wie erleichtert sind wir, wenn er mit Wackersteinen beschwert im Brunnen ertrunken ist.

Man erzählte sich Geschichten (1811), wie junge Burschen zwei junge Wölfe aus einer Höhle holen wollten und von einer wütenden Wölfin angegriffen wurden. Das Muttertier konnte in die Flucht geschlagen werden und die Welpen wurden ins Dorf gebracht. In der folgenden Nacht sei das Rudel heulend um das Dorf gestreunt und konnte erst vertrieben werden, nachdem man einige Tiere getötet habe. [4]

1835 soll bei Malmedy ein Wolf schon seit Tagen Hunde getötet und Schafe gerissen haben. Ein Bauer soll einen Schäfer auf einem Baum entdeckt haben, der sich so vor dem wütenden Tier in Sicherheit gebracht hat. Nur mit einem Knüppel bewaffnet soll der Bauer dem Wolf entgegengetreten sein. Der Bauer habe den Wolf mit einem kräftigen Hieb niedergestreckt. Als das Tier ihn noch einmal attackieren wollte, hat er ihm mit einer Harke erschlagen. Das Tier sei „rasend“ gewesen, habe der Tierarzt aus Amel diagnostiziert. [5] Damit war wohl die „Tollwut“ gemeint, eine Krankheit, die nach verbreiteter Auffassung besonders von Wölfen und Füchsen verbreitet wurde.

Das Präparat des Eifel-Wolfes als Teil der ehemaligen
Heimatabteilung im Museum Koenig. Foto: aus Mayer (1996).

Im 19ten Jahrhundert wurde die Region Trier bekannt wegen ihrer großen Wolfsdichte.
[Es] wurden zwischen 1815 und 1900 insgesamt 2136 Wölfe geschossen, 724 davon alleine in den ersten vier Jahren; 1820 bis 1829 waren es noch 650 Tiere. Bis 1848 gingen die Abschüsse auf null zurück und stiegen erst wieder im Zeitraum von 1864 bis 1870 an. Nest- und Jungwölfe belegen, dass die Art bis Mitte der 1870er Jahre noch heimisch im Bezirk Trier war. Durchstreifende Tiere, die aus den französischen Vogesen stammten, wurden noch bis 1900 in der Regionerlegt; insgesamt 182 zwischen 1860 und der Jahrhundertwende.“ [6]

Der Ursprung des Werwolfsglaubens geht möglicherweise auf die Tollwuterkrankung von Menschen zurück. Die Symptome der Krankheit passen zur Beschreibung von Werwölfen: Anfälle, wildes Umsichbeißen, Angst vor Wasser bei gleichzeitigem starken Durst, spastische Schluckkrämpfe.

Im Rahmen der Hexenverfolgungen hat es auch Werwolfprozesse gegeben. Der bekannteste hat sich 1589 in Bedburg bei Köln ereignet. Der Bauer Peter Stubbe wurde zusammen mit seiner Tochter und seiner Geliebten hingerichtet, weil er angeblich mindestens 13 Kinder umgebracht und sich an zwei Mädchen vergangen hatte.


Bild: Lukas Cranach der Ältere Werwolf, Holzschnitt

Der angeblich letzte Wolf der Eifel wurde im Jahr 1860 in Birresborn in der Vulkaneifel durch den Grafen von Fürstenberg zu Stammheim erlegt. Er befindet sich heute als Tierpräparat im Bonner Museum König. Den Titel beansprucht auch das Dorf Auel bei Gerolstein. 1888 soll der wirklich letzte Eifel-Wolf erlegt worden sein.

Der letzte Wolf von Müllenborn fand seinen literarischen Tod in einem Eifler Märchen [7]


Der letzte Wolf in Müllenborn

»In einer dunklen Nacht haben Diebe das Dorf Oos heimgesucht und soviel Fleisch erbeutet, dass sie auf dem »Ketten» {Gemarkung Oos) einen Schinken verloren. Der Wolf fand den Schinken, beschnupperte ihn und sagte: »Schinken mag ich nicht, von Schweinefleisch kriegt man »GRIMM in den Leib«. Er ließ den Schinken liegen und ging.

Er traf zwei Widder, die in Streit geraten waren und eine Wiese teilen wollten. Der Wolf sollte beim Teilen helfen und dafür ein Schaf erhalten. Deshalb musste er sich in die Mitte stellen. Die Widder nahmen sich einen Anlauf und stießen mit einer solchen Wucht auf den nichtsahnenden Wolf, dass ihm ganz elend wurde und er den Platz räumen musste.

Dann kam er an »Schäfer Bent« (Wiese am Bahnhof). Dort weidete ein Pferd mit seinem Füllen Der Wolf hatte es längst auf das Füllen abgesehen und begehrte es auch diesmal. Das Pferd stellte sich, als ginge es lahm und sagte; »Wolf, wenn du mir den Dorn aus dem Hufe ziehst, so ist das Füllen dein-. Der Wolf war einverstanden, und als er den Dorn herausziehen wollte, versetzte ihm das Pferd einen solchen Schlag auf die Schnauze, dass er kopfüber in den nahen Bach fiel. Schnell lief das Pferd mit seinem Füllen in den Stall.

Am anderen Tage kam er zum Müllenbach und traf dort eine Sau mit elf Ferkeln. Der Wolf hätte gern ein Ferkel gehabt; aber die Sau sagte, sie seien zu schmutzig, wenn er helfe die Ferkel waschen, so wäre das schönste sein. Fleißig legte er Hand an, und als sie fertig waren, musste der Wolf sich ans Mühlenrad stellen, damit die Sau ihm das schönste Ferkel aussuche. Diese aber hieb nun plötzlich so auf ihn ein, dass er über das Mühlenrad hinweg in den Oosbach flog.

Nachdem er sich mit großer Mühe aus dem Bache herausgeschafft hatte, ging er ganz enttäuscht in die Gerberei, in der sich gerade Ziegen aufhielten. Der Wolf hatte große Lust auf ein Zicklein. Die Ziegen wurden mit ihm einig, wenn er ein Lied sänge, dürfte er das schönste Söckchen aussuchen. Nun erhob der Wolf ein solch erbärmliches Geschrei, dass die Bauern herbeigelaufen kamen und er mit größter Not davon kam.

Ganz des Lebens müde, setzte er sich unter eine Pappel und rief: »Herr Jupiter, schmeiß das Beil von oben her, schmeiß es in meinen Rücken, dass ich von dieser krummen Welt kann rücken.« »Das kann geschehen^, rief Hennes Johannespitter, der gerade auf der Pappel saß und die Pappeln köpfte. Er warf ihm die Axt mit solcher Wucht auf den Kopf, dass sich dieser spaltete und Isegrim sein Leben aushauchte. Von dieser Zeit an wurde kein Wolf mehr in Müllenborn gesehen.«


[1] Erwin Schöning, Wölfe in den Wäldern der Eifel Heimatjahrbuch Vulkaneifelkreis 1984 https://www.heimatjahrbuch-vulkaneifel.de
[2] Aesop, Das Lamm und der Wolf
[3] Lessing, Die Geschichte des alten Wolfs in sieben Fabeln
[4] Hubert Pilzen, Stadtkyll: Der »böse Wolf« – Sagen, Märchen, Erzählungen in Heimatjahrbuch Vulkaneifelkreis 1996
[5] ebd.
[6] André Koch, Wie kam der angeblich letzte Eifel-Wolf an das Museum Koenig? Bonn, Juni 2018 Digitalisat
[7] „Der letzte Wolf von Müllenborn« nach dem Volksmund erzählt von Lehrer Loch, Müllenborn, in : Eifelvereinsblatt 1927 Nr. 11; zitiert nach Hubert Pilzen, Stadtkyll: Der »böse Wolf«

Interessante Links zum Thema:
https://www.volksfreund.de/region/bitburg-pruem/geschichte-des-wolfes-in-der-eifel_aid-5269960

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