Dem Osterhasen auf der Spur

Mythen und Monster

Sich in der Sasse „drückender“ Feldhase mit angelegten Ohren
und aufmerksamem Blick
Bild: Accipiter (R. Altenkamp, Berlin)

Zu den mysteriösesten Tieren neben Nessie und dem bayrischen Wolpertinger gehört zweifellos der Osterhase. Die Annahme, ein Hase könne Eier legen, sie bunt bemalen um sie pünktlich am Ostersonntag den Kindern zum Vergnügen in Verstecke zu legen, ist genau so schwer zu erklären wie seine tatsächliche Existenz.

Aus dem Verhalten eines Feldhasen das Ostertier herzuleiten ist problematisch. Wenn Feldhasen einen Winterschlaf halten würden, könnte man vermuten, dass ihr Erscheinen im Frühjahr damit zusammenhängt. Aber Hasen halten nun mal keinen Winterschlaf und ziehen sich auch in keine Erdhöhlen zurück für eine ausgiebige Winterruhe.

Auch die Hypothese, in den Hausgärten wachse früheres und besseres Hasenfutter, was die Tiere dazu verleitet, sich dort zu verstecken, wo man für die Kinder Ostereier verbirgt, erscheint mir nicht sehr plausibel.

Vielleicht hängt die Idee vom Osterhasen ja damit zusammen, dass einige Hasen in den Schutzhecken alter Hausgärten weggeduckt, von Fett und Fell gegen die Kälte geschützt auf bessere Zeiten warten. Wenn man dann, auf der Suche nach einem Versteck für die bunten Eier, ihrer Kuhle, jägersprachlich ihrer „Sasse“, bedrohlich nahe kommt und sie aufscheucht, flitzt das Tier hakenschlagend mit Tempo 70 weg wie der Blitz. So konnte man vielleicht Kindern gegenüber das schöne Märchen von diesem Hasenphantom auftischen, der sein Gelege gerade verlassen hat. Hilfreich war dabei sicher auch, wenn man den Ärmeltrick der Kartenspieler beherrschte und plötzlich ein paar Eier ausgerechnet dort lagen, wo vorher noch ein „Häslein in der Grube“ gesessen hat.

Wenn man der kulturgeschichtlichen Spur des Hasenmysteriums folgt, findet man überraschende Spuren in der Mythologie der heidnischen Germanen und der alten Griechen. Deren Gottheiten, eine vermeintliche Ostara, wie Jakob Grimm annahm, und die griechische Göttin Aphrodite hatten etliche Symboltiere, darunter auch den Hasen. Beide Gottheiten waren Fruchtbarkeitsgöttinnen. Mithin hat der Hase etwas mit Frühjahrsfruchtbarkeit zu tun. Übrigens hat das Kaninchen fast doppelt so viele Würfe im Jahr (4-7) wie der Feldhase (3-4), wäre also besser als Symbol geeignet gewesen.

In der Renaissance wurde die Nähe des Hasen zu den beiden Fruchtbarkeitsgöttinnen dann eindeutig zu einem Symbol für Fleischeslust. Und das kann man sowohl sexuell interpretieren als auch im Sinne von Lust auf Fleisch. Womit wir dann wieder beim Thema „Ende der Fastenzeit“ sind, während der man ja 40 Tage lang auf Fleisch verzichten musste. Nur beim Biber und bei Kaninchenembryos machte man Ausnahmen von diesem strengen Fastengebot. Die zuerst genannten erklärte man kurzerhand zu einem Fisch, weil sie ja wie diese im Wasser lebten. Die ungeborenen Jungen des Kanins waren im Mittelalter ebenfalls eine geschätzte Fastenspeise. Man rechtfertigte ihren Genuss seitens der Kirche damit, dass sie aus dem Wasser, dem Fruchtwasser, kamen. [1]

Manch einer in den vergangenen Jahrhunderten wird sich nicht nur auf die Eier, die man Fastnacht und Ostern nicht essen durfte, gefreut haben sondern auch erleichtert geseufzt haben: „Endlich wieder Hasenbraten!“ Ich weiß, das ist reine Spekulation, aber nur so kann man dem Mythos Osterhase beikommen. Eine wirklich schlüssige Erklärung für seine Existenz gibt es nicht. Sicher ist nur, dass es ihn gibt. Es ist vielleicht so, wie es der unsterbliche Joseph Beuys einmal formuliert hat: „So vermute ich, dass eher der tote Hase die Bedeutung der Kunst begreift, als der sogenannte gesunde Menschenverstand. Wobei ich dann „Kunst“ mit „Mythos“ ersetzen würde.

Ich glaube, man wird erst dann die Wahrheit über den Osterhasen herausfinden, wenn man das erste Exemplar gefangen hat. Bis dahin bleibt das Fabeltier eins der vielen ungelösten Rätsel aus der Rubrik Mythen, Monster, Merkwürdigkeiten.

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