Mönche, die die Liebe suchen

Antonius van Dyck: Maria bei der mystischen
Vermählung mit Hermann Joseph, 1629, im
Kunsthistorischen Museum in Wien,
Kopie im Kloster Steinfeld

Kein geringerer als der flämische Maler Antonius van Dyck hat ein Gemälde hinterlassen, das den Heiligen Herrmann Josef von Steinfeld abbildet. Das Original hängt im Kunsthistorischen Museum in Wien, in der Basilika von Steinfeld hängt nur eine Kopie. Dafür liegen tatsächlich die Gebeine des Heiligen vollständig in einem Prunksarg, gewissermaßen als Ganzkörperreliquie, in der Klosterkirche zu Steinfeld.

Die Szene im Gemälde des flämischen Kunstmalers zeigt den knieenden Herrmann Josef und die Jesusmutter Maria, die dem frommen, jugendlichen Gottesmann die Hand zur mystischen Vermählung reicht. Schon als Kind, so wird erzählt, habe er einer Muttergottesstatue einen Apfel angeboten, den diese auch tatsächlich entgegengenommen hat.[1] Anderswo heißt es, das Jesuskind habe den Apfel entgegengenommen. [2] Dieses „Apfelwunder“ hat dem Heiligen im Rheinland den Namen „Äppeljupp“ eingetragen.

Der historische Kontext der Legenden um den rheinischen Klostermann , * um 1150 in Köln  und † 7. April 1241 Jülich, war die Blütezeit des Minnedienstes, der sicher auch im klerikalen Bereich in der zeitgenössischen Marienverehrung seine Interpretationen gefunden hat.

Am Anfang war unter Minne eine Art höfisches Gesellschaftsritual zu verstehen, bei dem ein Minnesänger, in der Regel ein Ritter, der Frau seines Herrn in dessen Anwesenheit und unter den Augen der Höflinge „den Hof machte“. Dabei war es Sinn der Veranstaltung, dass die Frau dem Werben keinesfalls nachgeben durfte, sondern gerade in der Zurückweisung des Minnesängers ihre Treue zu ihrem Gatten und ihre Keuschheit öffentlich unter Beweis stellen musste. War also die Geschichte der Eheschließung eine Art monastischer Minnedienst? Eher nicht, glaube ich. In der Heiligenlegende ist es ja die Gottesmutter, die dem schwärmerisch verliebten Klosterbruder gegenüber „schwach“ wird und diesem die Ehe anbietet.

Ein Schelm, der Böses dabei denkt. Denn war Maria nicht mit dem Gottvater vermählt und hatte nicht der Himmelsbote Gabriel erklärt, dass der heilige Geist „über sie kommen“ werde, woraus ein Kind entstehen würde? Und war dieser eine Joseph von Nazareth nicht eine Art Onkelvater, der Maria zu ihrer Niederkunft nach Bethlehem begleitet hatte und den Gottessohn samt Mutter rechtzeitig vor dem bösen und heimtückischen Herodes rettete, weil der keinen anderen König neben sich dulden wollte, und deshalb zum Massenmörder an Knaben unter 2 Jahren wurde. Danach hatte der gutmütige Zimmermann gemäß Neuem Testament seine Schuldigkeit getan und verschwand heimlich aus den Aufzeichnungen der Evangelisten, ohne weitere Spuren zu hinterlassen. Nur die Legenden um ihn und der Heiligenkult der katholischen Kirche haben ihn überleben lassen und aus einem „Nobody“ der Evangelien im Wege der Bibelexegese und päpstlich verordneter Glaubenslehren zum Vater der gesamten Christenheit erhöht.

Guido Reni, Josef von Nazaret (1640)

War Josef der Erste jetzt gestorben (geht das überhaupt?), oder warum brauchte die Gottesmutter jetzt plötzlich einen Mann, und dann noch einen, den man sich nach Auffassung der Maler und der klerikalen Auftraggeber deutlich jünger vorstellen sollte als den Zimmermann aus Nazareth?

Man braucht ja bloß das Bildnis des ersten Joseph mit dem des Herrmann Joseph aus Steinfeld zu vergleichen, das ein anderer bedeutender Maler der Renaissance, Guido Reni, geschaffen hat. Als Klatschblattreporter und Himmelspaparazzi hätte man doch den idealen Stoff für die Skandalpresse.

Aber so darf man die Visionen des Eifelheiligen nicht betrachten. Wenn man weiter nach Herrmann Josef aus Steinfeld forscht, findet man zwar auch Hinweise darauf, dass er bei Frauen „gut ankam“. „Als lebensfroher Rheinländer war er bei vielen sehr beliebt und in der Seelsorge tätig, vor allem in Frauenklöstern“ heißt es im Ökumenischen Heiligenlexikon.

Wenn man die Legenden um den Gottesmann aus heutiger Sicht erklären wollte, dann gibt es sicher eine psychologische, auf den Mönch bezogene Betrachtungsweise. Die könnte vielleicht seine Visionen als unterdrückte sinnliche Wünsche interpretieren, die im Widerspruch stehen zu dem Gebot der Ehelosigkeit des Priesters. Das Zölibat als die klerikale Lebensform gab es ja bereits zu Lebzeiten des Heiligen und war seit 1073 grundsätzlich verpflichtend.

Man erzählt von visionären Erlebnissen fast sämtlicher großen heiligen Asketen der altchristlichen Zeit. Im Mittelalter gab es Jesusmystik von Frauen und und Marienmystik von Männern. Nonnen vieler Orden tragen seit dem 7. Jahrhundert einen Ring, um damit die Treue und Verbundenheit mit Christus auszudrücken.

Dem Apfelheiligen aus der Eifel, den man auch zu den Mystikern zählt, kann man analog die gleiche Beziehung zur Gottesmutter unterstellen. Aber ein bisschen merkwürdig ist es schon, dass die „Himmlische“ einem irdischen Mönch gegenüber die Initiative ergriffen haben soll. Sei’s drum: Mystik kann man nicht gut erklären. Das muss man einfach so glauben, so man denn will!

Da passt es dann gut, dass das, was wir an Marienerscheinungen, Lakrimationen, inneren Eingebungen und äußeren Stigmata als Wunderwirken glauben sollen, streng vom Vatikan geregelt ist.

Bevor der Vatikan Berichte über Wunder und Erscheinungen anerkennt oder die Menschen selig- bzw. heiligspricht, die von solchen Erlebnissen berichten, wird ihre Gültigkeit mit wissenschaftlichen Kriterien überprüft.[3] heißt es in einer Presseerklärung des Heiligen Stuhls von vergangener Woche. Die eigens zu diesem Zweck gegründete vatikanische Beobachtungsstelle hat ihre Arbeit am Samstag, 15. April 2023 offiziell aufgenommen.

Ob die päpstliche Beobachtungsstelle die frischen Äpfel, die immer auf dem Sims der Grabplatte des Eifeler Heiligen liegen, bald auf ihr Wunderpotential hin untersucht werden, oder ob das mittelalterliche Apfelmysterium unter Bestandsschutz steht, weiß ich nicht. Aber ich vermute mal, dass es dafür eine ganz banale Erklärung gibt.

Die könnte lauten: „Sie werden morgens frisch dort hingelegt, und abends zu wunderbaren kulinarischen rheinischen Gerichten weiterverarbeitet, zum Beispiel zu „Himmel un‘ Ärd“ oder „Appelplatz“

Aber ob die polygame Lebensführung der Gottesmutter und der Widerspruch zwischen Zölibat und Mönchsehe einen Stresstest auf Vereinbarkeit mit päpstlicher Lehre und Unfehlbarkeit aushalten würde, da wäre ich mir nicht so sicher.

[1]Bistum Augsburg, Heilige des Tages – abgerufen am 27.03.2023
[2] Joachim Schäfer: Artikel Hermann „Joseph” von Steinfeld, aus dem Ökumenischen Heiligenlexikon -abgerufen am 27. 3. 2023
[3] Neue Beobachtungsstelle für Marienerscheinungen Vaticannews

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