Drei alte Männer

Paul Cezanne, Die Kartenspieler
Metropolitan Museum of Art, New York

„Schröömen“ gehört zur Eifel wie „Appelplatz un Prommetaat“[1] oder „Brannteweng un Stubbi“[2]. Bis heute trifft man sich zum Frühschoppen oder zum Feierabendbier in der Dorfkneipe, um „Eifelpoker“ an der Thekenecke oder am Wirtshaustisch zu spielen. Die Regeln hier zu erklären, würde zu weit führen. Sie sind auf vielen Internetseiten ausführlich erklärt, und auch in der Wikipedia gibt es einen Beitrag zu diesem typisch rheinischen Kartenspiel und den Spielregeln. „Sibbeschrööm“[3], oder je nach Gegend gerne auch „Siwweschrööm“ oder „Tuppen“ [4] – man kann die Wörter erklären und die Regeln, aber ich finde wenig Brauchbares zur Geschichte und Herkunft des Kartenspiels. Doch immer geht es hoch her, wenn nach jeder Spielrunde „nôhjekaat jit“[5] . Es geht um den Spaß am Gewinnen, um die nächste Runde, manchmal sogar um Geld. Ich erinnere mich noch an eine Bildschlagzeile „Beim Eifelpoker erschossen!“, einen Bericht in dem aus dem Spiel, eigentlich völlig untypisch für den Eifeler, sogar blutiger Ernst wurde.

Aber eine schöne Geschichte über drei „Ühme“ [6] aus Müsch an der oberen Ahr aus den 30er Jahren habe ich in der Godesberger Volkszeitung gefunden. Auch sie werden als leidenschaftliche „Kärter“ [7] geschildert, von denen es in der Eifel bis heute noch Tausende gibt. Aber in dem Zeitungstext von 1934 wird auch von drei Eifler Originalen und dem typischen Leben alter Männer im Dorf erzählt.


Ein Kleeblatt im oberen Ahrtal

Als in Müsch droben im oberen Ahrtal Katharinenkirmes war und im Saale Krämer die Kirmesfreude Purzelbäume schlug, saß unten in der gemütlichen Wirtsstube ein Kleeblatt und spielte Sibbeschröm, dass die alten Köpfe vor Eifer heiß wurden. Über dem kleinen Tisch, auf dem die Karten hinflogen, türmte sich eine abgeschlossene Welt auf, in der weder der verhalten herüber klingende Lärm der Tanzmusik, noch die Töne einer Handharmonika, die irgendwer in der Wirtstube schmelzend entlockte, hineinklangen. Nur hin und wieder fiel das Hupprichs Michel schwere, kohlrabenschwarze Faust auf den Tisch nieder, dass die Karten hüpften und nach einer Weile sagte der Hupprichs Michel dann: „Dat hei es noch en Napoleonsfaust!“[8] Dann nickten Tönnis Michel und Hüwels Christian, die beiden anderen Kartbrüder, versonnen zustimmend mit den weißhaarigen Köpfen.

Diese drei Alten […] haben sich zu drei unzertrennlichen Freunden zusammengefunden. Immer sieht man sie zusammen: Sie machen den mehr als halbstündigen Kirchgang nach Antweiler gemeinsam, und allsonntäglich finden sie sich in der Kneipe ein zum Kartenspiel. Sie sind alle drei wohl insgesamt mehr als 230 Jahre alt und gleichzeitig auch die Dorfältesten. Trotzdem schafft der 74-jährige Hüwels Christian in seinem Acker mit einem Jungen um die Wette. Wenn kaum der Morgen ins Ahrtal hineinäugt, ist Hüwels Christian schon auf den Beinen. Er ist der Erste im Dorf. Mit einem Paar gemächlich daherschwankenden Kühen geht er hinter dem Pfluge, sät, erntet, mit den Grummet [9] in den taufrischen Wiesen und das Korn in der heißen August-Septembersonne. Im Spätherbst erntet er die Kartoffeln, und wenn sein Alter Rücken sich dabei auch den ganzen Tag über krümmen muss, er lächelt und stellt freudig fest:“ Dat dat Krüz im kein beßche wieh deit.“[10] Selbst im Winter ruht Hüwels Christian nicht; dann sieht man ihn im Walde, den er so sehr liebt um dort Schanzen [gebündeltes Feuerholz] zu binden. Zwar hat Hüwels-Ühm Kinder in seinem Hause wohnen, er könnte sich also auf seinen Aushalt zur Ruhe setzen; aber den Hüwels-Ühm leidet die Ruhe nicht: „suh lang et geit, werken ech!“,[11] sagt er stolz.

Der zweite des Kleeblatts, Tönnes Michel, ist nicht mehr gerade so rüstig und in die Arbeit dreinhauend wie Hüwels Christian. Er pflegt sich auf seine alten Tage; er hat sein Lebtaglang genug geschafft. Vor zehn Jahren ging ihm die Frau heim; und nun behütet eine Magd, die das Ehepaar Tönnes an Kindes statt angenommen hat und die nun verheiratet ist, den alten Tönnes-Ühm.

Hupprichs Michel, der dritte im Kleeblatt, der Mann mit der Napoleonsfaust, ist im Gegensatz zu seinen Kumpanen bartlos. Das glattrasierte Gesicht mit den kleinen, schelmisch zwinkernden Augen, den eingefallenen Wangen und dem vorstehenden Kinn, wird von einem breitkrempigen Hut überschattet. Überhaupt ist das äußere Merkmal der drei Alten der große runde Schlapphut, der dieser seltsamen Kumpanei ein patriarchalisches Aussehen verleiht. Hupprichs Michel ist der Schalk unter den dreien. Auch er wird daheim auf seine alten Tage von Kindern betreut. Und wenn einer unter ihnen an einem Sonntag Goldvögel lose in der Tasche hat, dann gibt es allweil einen Festtag. Dann rollt ein süffiger Ahrtrester nach dem anderen die alten Kehlen herab, so dass in die Drei ein gar übermütiges Leben hineinkommt. Dabei wird gehörig „de Mul geschwadt“,[12] die Napoleonsfaust lässt oft die Trestergläser auf der Tischplatte tanzen, und wenn dann der Mond über Dorfstraße und Ahrbrücke liegt, erscheinen die Kinder des Kleeblattes in der Wirtsstube und geleiten die drei seligen Alten heim.

Quelle: Godesberger Volkszeitung (26.1.1934) Online* Der Text ist erschienen unter „Ein Doppelkleeblatt im oberen Ahrtal“ von Peter Backes und wurde nur leicht verändert

Worterklärungen:
[1] „Appelplatz un Prommetaat“– Gedeckter Apfelkuchen und Pflaumenkuchen
[2] „Brannteweng un Stubbi“ – Schnaps und Flaschenbier
[3] „Sibbeschrööm“ = sieben Striche, wer als erster 7 Striche im Laufe des Spiels erhält, hat verloren
[4] „Tuppen“ man klopft auf den Tisch und erhöht damit den Zählwert der Spielrunde
[5] „nôhjekaat jit“ – es wird nachgekartet, Nachkarten, eine nachträgliche Diskussion um den Spielverlauf
[6] „Ühm, pl. Ühme“ – alter Mann, pl. alte Männer
[7] „Kärter“ – Kartenspieler
[8]„Dat hei es noch en Napoleonsfaust!“ – „Das hier ist noch eine Napoleonsfaust“ Diese Faust hat noch soviel Durchsetzungsvermögen wie die von Napoleon; vielleicht auch: Das ist noch eine Faust, die Napoleon in die Flucht geschlagen hätte
[9] „Grummet“ – zweite Heuernte
[10] “ Dat dat Krüz im kein beßche wieh deit.“Dass der Rücken ihm kein bisschen wehtut
[11] „suh lang et geit, werken ech!“ – Solange es geht werde ich arbeiten
[12] „de Mul geschwadt“,[12]sich etwas erzählen, miteinander sprechen


© Marzellus BoosMellonia-Verlagzum Newsletter anmeldenBücher über die Eifel*

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