Steinkreuz bei Sistig

Erinnerung an eine schlimme Zeit

Auf dem Wegkreuz in der Gemarkung „Auf dem Stützgen“ in der Gemeinde Sistig steht ganz nah an der Verbindungsstraße zwische Diefenbach und Sistig ein schön restauriertes Steinkreuz.

„1694 den 20. Oktober hat Pastor Meyer mit Haushälterin Katrein samt Ehrenkantore von Sistig dieses Kreuz aufstellen lassen zu Ehren Gottes und Maria. Amen.“ erzählt uns die Inschrift. Die Stifter, ich vermute mal mit „Ehrenkantore“ ist der damalige Kirchenvorstand gemeint, sind vermutlich vergessen. Über das Motiv für die Errichtung des christlichen Monuments erfährt man weder aus der Inschrift selbst noch durch eine Hinweistafel etwas. Außer Standort, Stifter und Jahreszahl können wir nur mutmaßen, warum das Kreuz am „Lengsche“, hochdeutsch „an der kleinen Linde“, hier aufgestellt wurde.

Dieses Kreuz ist ja kein Unfallkreuz, das an den Tod eines Dorfbewohners oder eine konkrete Katastrophe erinnert. Dann gäbe es sicher einen Hinweis darauf. Doch offenbar wird hier ein Gemeindeanliegen, ich vermute mal ein Schutzanliegen oder eine Sühne dokumentiert, warum sonst lässt sich gleich eine ganze Gruppe von Menschen hier ihren Namen in Stein meißeln? Auch wenn man den tatsächlichen Anlass für die Errichtung des Kreuzes nicht mehr wirklich weiß, kann man vielleicht aus den Geschichtsbüchern der Eifel herleiten, was uns das Kreuz heute noch sagen kann.

Wie muss man sich die Eifel vorstellen am Ende des 17. Jahrhunderts? Sie war eine weitläufige Wiesen- und Heidelandschaft auf der vor allem Schafherden oder mageres Vieh weideten. Krieg, Pest und Rote Ruhr hatte die Bevölkerung dezimiert. Aber der Kriegszustand im Rheinland hatte ja mit dem „Westfälischen Frieden“ noch kein Ende genommen. Erb- und Gebietsansprüche der rheinischen Dynastien riefen Verbündete auf den Plan. In der Eifel waren es französische Heere des Sonnenkönigs, Ludwig IVX. , die den Bauern die magere Ernte stahl und das Vieh wegtrieb. Bei den direkten Übergriffen auf die Bevölkerung haben sich sicher seit der Zeit des Dreißigjährigen Krieges die Zustände nicht verändert. Der Krieg ernährt den Krieg, war die Devise. Heere wurden über Beutemachen finanziert. In Schillers Wallenstein sagt einer der Soldaten:

Der Krieg ernährt den Krieg. Gehen Bauern drauf, Ei, so gewinnt der Kaiser mehr Soldaten

In der Zeit der Errichtung des Kreuzes fand der letzte von drei „Raubzügen“ des Sonnenkönigs statt. Die Eifel war Auf- und Durchmarschgebiet französischer, Truppen zu den großen Kriegsschauplätzen des Jülicher Erbfolgekrieges. Die Heere forderten von der einheimischen Bevölkerung „Fouragegelder“. Was das heißt, erfahren wir von dem Barockdichter Jakob Grimmelshausen der seinen Simplicissimus im Dienst eines Offiziers erzählen lässt: „… ich agierte bei diesem Obristen einen Hofmeister und erhielt mit seinen Knechten und Pferden ihn und seine ganze Haushaltung mit Stehlen und Rauben, welches man auf soldatisch fouragieren nennet.“ In dem berühmten Schelmenroman „Simplicius Simplicissimus“1668 erzählt Grimmelshausen in satirischer Art von den ungeheuerlichen Übergriffen marodierender Truppen auf die Zivilbevölkerung. Auch wenn der 30-jährige Krieg beendet war, hatten sich die Methoden der Kriegsführung ja in diesem Punkt nicht geändert.

Man kann heute kaum noch nachvollziehen, was sich abspielte in den Köpfen und Gefühlen der Menschen, die dieses Kreuz errichtet haben. Ganz gewiss haben sie sich nicht als Spielball der Mächtigen erkennen können, eher schon als Heimgesuchte, die einen verzweifelten Hilfeschrei in der Not an den Himmel senden wollten.

30 Jahre zuvor hatte der Barockdichter Andreas Gryphius sein berühmtes Sonnet: Thränen des Vaterlandes veröffentlicht, das die Gemütsverfassung seiner Zeitgenossen beschreibt, die uns heute noch unter die Haut geht. Für die Menschen in der Eifel zur Zeit der Errichtung des Kreuzes waren diese Gedanken auch noch gegen Ausgang des Jahrhunderts Gegenwart hochaktuell.


Ludwig Bechstein – aus dem Buch 
Zweihundert deutsche Männer in Bildnis
sen und Lebensbeschreibungen, Leipzig 1854

Wir sind doch nunmehr gantz / ja mehr denn gantz verheeret!
Der frechen Völcker Schaar / die rasende Posaun
Das vom Blutt fette Schwerdt / die donnernde Carthaun /
Hat aller Schweiß / und Fleiß / und Vorrath auffgezehret.
Die Türme stehn in Glutt / die Kirch ist umgekehret.
Das Rathauß ligt im Grauß / die Starcken sind zerhaun /
Die Jungfern sind geschänd’t / und wo wir hin nur schaun
Ist Feuer / Pest / und Tod / der Hertz und Geist durchfähret.
Hir durch die Schantz und Stadt / rinnt allzeit frisches Blutt.
Dreymal sind schon sechs Jahr / als unser Ströme Flutt /
Von Leichen fast verstopfft / sich langsam fort gedrungen.
Doch schweig ich noch von dem / was ärger als der Tod /
Was grimmer denn die Pest / und Glutt und Hungersnoth
Das auch der Seelen Schatz / so vilen abgezwungen.

© Marzellus BoosMellonia-Verlagzum Newsletter anmeldenBücher über die Eifel*

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