Die „rote“ Eifel

In der politischen Farbensymbolik steht die Farbe rot für sozialistische Überzeugungen. Ich muss zugeben, dass ich mich dann doch gewundert habe, dass ich bei meiner Suche nach interessanten Geschichten aus und über die Eifel auf den Namen Heinrich Kämpchen gestoßen bin. Kämpchen war ein Bergmann, Streikführer, Arbeiterpoet und Heimatdichter aus dem Ruhrgebiet. Politisch hat er eine tragende Rolle beim sogenannten Bergarbeiterstreik von 1889 gespielt, aus dem der „Verband zur Förderung und Wahrung bergmännischer Interessen in Rheinland und Westfalen“ hervorgegangen ist, einer Vorläuferorganisation der heutigen IG-Bergbau.

Kämpchen, der aufgrund eines Arbeitsunfalls Frührentner wurde, war ein Freund der Eifel. In einem Gedicht mit dem Titel „Mein Eifelland“ aus seiner Gedichtsammlung „Reisebilder“ schreibt er:

Heinrich Kämpchen, Bild von einer Autogrammkarte
Quelle: Wikipedia

Die Pracht des Rheins hab’ ich geseh’n,
Den Spessart und die Taunushöh’n,
Ich sah so manchen schönen Ort,
Doch zog’s zu dir mich immerfort,
Bot auch die Fremde noch so viel,
Du, meiner Sehnsucht Ruheziel.
1

Woher Kämpchens Begeisterung für die Eifel stammt und dass er von „meiner Eifel“ dichtet, ist zunächst einmal schwer zu erklären. Entweder nutzt er die Stilfigur des „lyrischen Ich“, das ja streng genommen nicht mit dem Dichter selbst gleichgesetzt werden darf, oder man müsste die Ahnenforschung hierzu bemühen. Unwahrscheinlich wäre es jedenfalls nicht, dass er Nachkomme einer eifelstämmigen „Gastarbeiterfamilie“ ist, die zu Beginn der Industrialisierung aus der Eifel in den Ruhrpott abgewandert ist. Den arbeitssuchenden Männern der Eifeldörfer, die sich als Lohnarbeiter bei den aufblühenden Stahlwerken des Ruhrgebietes verdingten, hat die Schriftstellerin Clara Viebig mit ihrem „Weiberdorf“ ein wunderbares literarisches Denkmal gesetzt.

In dem Gedichtband „Reisebilder“ widmet er der Eifel gleich mehrere lyrische Texte, von denen das Gedicht über den „roten Mohn“ meine besondere Aufmerksamkeit erregt hat. Denn für den Arbeiterdichter ist es nicht die rote Nelke im Knopfloch oder an der Kleidung, die zum Symbol des Protestes und des proletarischen Zusammenhalts wird, sondern die Blüte des Klatschmohns. 2

Seinen Fokus richtet Kämpchen auf die Armut und die Not in den Tälern der Eifel, in denen „Elend und Menschennot“ herrscht und in denen sich die Menschen ein „Dach, das sie schützet vor Daseinsstürmen“ wünschen. Allerdings war es nicht der „Sozialismus“ und der „Völkerbund von Pol zu Pol“, der die Menschen aus ihrer Armut befreit hat, sondern die Maßnahmen der preußischen Verwaltung, die eine geschundene Eifel im besten Sinne des Wortes „entwickelt“ hat. Und was die politische Farbenlehre betrifft, war und ist die Eifel „schwarz“3 geblieben.

Und heute hätte der Arbeiterdichter wenig Gelegenheit, sich eine Mohnblüte als Symbol seiner politschen Haltung ans Revers zu stecken. Man findet sie leider nur noch selten.

Übrigens: Ein Artenportrait des Klatschmohns finden Sie in meinem Blog Tagebuch Natur unter der Überschrift: „Inspirierende Pflanzen“


Eifel-Mohn.

Oben auf den kahlen Eifelhöh’n
Sah ich Mohn in voller Blüte steh’n,
Seine Grüße auf mich niederweh’n –
Roten Mohn – wie eine Feuergarbe. –

Sind die Täler auch noch nicht durchloht
Von dem schönen, farbenprächt’gen Rot
(Elend herrscht darin und Menschennot),
Auf den Bergen weht schon uns’re Fahne. –

Auch die Eifellande werden wach,
Wenn auch langsam erst und allgemach,
Auch die Armen wollen dort ein Dach,
Das sie schützet vor den Daseinsstürmen. –

Roter Mohn, wie hast du mich beglückt!
Eine Blume hab’ ich mir gepflückt,
Mit dem Purpur meine Brust geschmückt,
Zur Erinnerung für spät’re Tage. –

Bist du doch das leuchtende Symbol
Für den Völkerbund von Pol zu Pol,
Für der Menschheit Glück und aller Wohl,
Auch hoch oben auf den Eifelbergen. –

Heinrich Kämpchen
Aus der Sammlung Reisebilder


  1. Heinrich Kämpchen, Mein Eifelland ↩︎
  2. Heinrich Kämpchen, Eifel-Mohn ↩︎
  3. Schwarz in Deutschland gilt traditionell als Farbe der vom Katholizismus geprägten konservativen CDU.
    ↩︎

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