Das Filigranwichtchen

Ein Beitrag zum Tag der Poesie

Heute ist der Welttag der Poesie, der uns an die Vielfalt des Kulturguts Sprache und an die Bedeutung mündlicher Traditionen erinnern soll. Auch die Eifel hat ihre eigene Kultur.

Vergangen ist nicht manches Jahr,
Da Eifeler sein nicht ruhmvoll war,
Sein Land, wie Petrus seinen Herrn,
Verleugnete der Eifeler gern.

Denn Eifel hieß, was rauh und kalt,
Was öd und arm, von Sitten alt,
Was nicht geweckt und was nicht fein,
Drum wollte niemand Eifler sein.

Es hing am Gaue wie ein Fluch,
Die Eifel stand nur mehr im Buch,
Doch ging man sie zu suchen aus,
Fand man die Eifel nicht zu Haus.

Man ward gewiesen hin und her,
weil dort – nicht hier – die Eifel wär,
Doch kam man an den neuen Ort,
Dann war die Eifel auch nicht dort !

Wohin man ging, wohin man fuhr,
es lag alles an den Grenzen nur,
So grenzenreich war dieses Land,
Daß man es selbst darin nicht fand.

Heinrich Freimuth, 1890

Heinrich Freimuth ist der Autor der nebenstehenden Verse. Er wird oft in Büchern über die Geschichte des Rheinlands oder der Eifel zitiert, doch er gehört zu den weniger bekannten Dichtern der Eifel. Auch wenn er kein „Hiesiger“ war, wie wir die Menschen bezeichnen, die hier geboren und gestorben sind und hier gelebt haben, möchte ich heute, am „Welttag der Poesie“, an ihn erinnern.

Geboren am 5. November 1836 in Remscheid, gestorben am 18. Juni 1895 in Köln-Deutz, führte Heinrich Freimuth eine bürgerliche Existenz als „Betriebsleiter in Aachen“. Im Nebenjob verfasste er journalistisch-publizistische Texte. Von 1883 bis 1893 arbeitete Freimuth in Rheydt als Zeitungskorrespondent Seine letzten beiden Jahre lebte er als freier Schriftsteller in Köln.

Im Internet findet man leider in den einschlägigen digitalen Textsammlungen nur einzelne Texte des Literaten. Das bekannteste seiner Eifelgedichte stammt aus seiner Verssammlung „Eifelstrauß“ mit dem Untertitel „Poesien“. Es beschreibt eine Eifel, die als einer der ärmsten Gebiete Preußens gat und den Namen „Preußisch Sibirien“ trug. Armut geht mit Scham einher, könnte man sagen. Aber die Armut der Eifler war unverschuldet.

Von seinen Originaltexten wurden nur wenige digitalisiert. Sein Name und seine Bücher erscheinen nur als kurze Notizen in historischen Autorenverzeichnissen und Buchhändlerlisten. Einige Texte findet man unter Chr. Ritter-Die Deutsche Gedichte-Bibliothek im Internet. Hier findet sich auch die Sage über einen Kobold mit dem Namen „Filigranwichtchen.“

Die Sage vom Filigranwichtchen erzählt, wie der kleine Kobold sich von einem Mädchen, das Walderdbeeren pflückt, belästigt fühlt, weil es auf Fuchs und Hase reiten muss und am nächsten Tal mit der Forelle und dem Aal schwimmen will. Es droht der Erdbeerpflückerin mit einer Verwünschung, wenn sie seinem Wunsch zu verschwinden nicht folgt. Aber es bietet ihm auch an, das Mädchen abends in die Künste einzuführen, die es braucht, um einen Mann zu gewinnen: „Dann gehst du als wie eines Königes Kind, Dann machst du die Burschen vor Liebe blind.“

Wo in der Eifel Freimuth das Märchenmotiv für sein Gedicht aufgeschnappt hat, verrät der Dichter seinen Lesern nicht. Aber das Sammeln und Erzählen von Volkssagen passte in den Geschmack der Zeit, genauso wie die von ihm verfassten Reisebilder, die man vielleicht noch in Bibliotheken findet. Sein Zeitgenosse Theodor Fontane hatte mit diesem Genre, konkret mit seinem mehrbändigen Werk „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ großen Erfolg, und auch zahlreiche Nachahmer. Schon zu seinen Lebzeiten trug die literarische Beschreibung seiner Heimat dem Dichter Fontane mehr Erfolg ein, als seine Romane. Das ist Heinrich Freimuth versagt geblieben.


Das Filigranwichtchen

Am Felsenspalt im Frühsonnenschein
Spaziert der Zwerg Hinz Spindelbein —
Er ist nicht ganz drei Hände klein.
Der Scharlachrock, das Höschen grau,

Der Federhut, die Schärpe blau,
Juwelen tragen von Morgentau.
Ein Schwertchen im Gurt, Reitstiefel mit Sporn,
Um die Schulter ein niedliches Silberhorn —

So spreizt er sich hin am kristallenen Born.
Da legt er in Falten die kleine Stirn,
Da steigt ihm der Unmut ins winzige Hirn:
„Was stört mich dort wieder die Menschendirn?“

Auf Erdbeersuche ein Mägdelein,
Zum Wald zu geh’n, kam hier herein;
Das macht dein knirps’gen Stutzer Pein.
„Such heut und morgen andern Ort,

Du Menschenkind! sonst muß ich fort;
Ein günstig Ohr leih‘ meinem Wort!
„Denn heut‘ muß ich reiten auf Fuchs und Has,
Im Erdbeerwald, durchs Wiesengras —

Vier Wochen ich nicht im Sattel saß.
„Und morgen meide die gleiche Stell‘!
Dann muß ich schwimmen in glasklarer Well‘;
Im Bache reiten auf Aal und Forell‘.

„Und kommst du doch, dann mach‘ ich dich krank;
Und kommst du nicht, dann zahl‘ ich dir’s blank,
Und lehr‘ dich ein Künstlein, des weißt du mir Dank.
„Komm‘ übermorgen zur Abendstund‘,

Wann die Sonne sinkt in den Wiesengrund,
Und am Himmel noch bleich ist des Vollmonds Rund!
„Dann steh‘ ich im Schurzfell, mit Ambos und Zang‘,
Und dem Goldblech-Hammer, der macht: Kling klang,

Und ich lehre dich eine Stunde lang.
„Und dreimal komm‘ zu gleicher Stund‘,
Wann die Sonne sinkt in den Wiesengrund —
So mach‘ ich das feinste Künstchen dir kund.

„Aus Silber- und Golddraht, aus Wolle und Seid‘
Dann biegst du und bindest dir lieblich Geschmeid,
Zu zieren das Haar dir, den Hals und das Kleid.
„Und wenn die drei Stunden vorüber sind,

Dann gehst du als wie eines Königes Kind,
Dann machst du die Burschen vor Liebe blind.“
… Das Dirnlein folgte, denn es war schlau,
Behielt des Zwerges Kunst genau,

Und ward des schönsten Burschen Frau.
Es wies viel and’re im Eifelland
Die gleiche Kunst von des Zwerges Hand;
Noch heut‘ floriert der artige Tand.

Heinrich Freimuth

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