Winterwunder im Hohen Venn

Das Kreuz im Venn; Fritz von Wille 1909

Auf der Suche nach möglichen Orten, die als Schauplatz für die nachfolgende, schöne Wintergeschichte aus der Eifel in Frage kommen könnten, bin ich auf die Richlisley gestoßen. Der riesige Felsbrocken in der Nähe von Kloster  Reichenstein besteht aus Sedimentgestein, das im Unterdevon (vor 400 Millionen Jahren) entstanden ist.

Der Name des Felsens erinnert an Richwin, den Gründer der Burg Richwinstein, des heutigen Klosters Reichenstein. 

1890 ließ Pfarrer Arnoldy von Kalterherberg ein großes Steinkreuz auf der Richelsley errichten. Das “Kreuz im Venn” erinnert uns an Stephan Horrichem, der von 1639 bis zu seinem Todesjahr 1686 Prior des Klosters Reichenstein war. “Horrichem widmete sich mit ganzem Einsatz dem Trost und Beistand der Not leidenden Bevölkerung. Er zog zum Teil als Bauer verkleidet, um sich selbst vor Übergriffen zu schützen, von Hof zu Hof und von Dorf zu Dorf um Hilfe zu leisten. Dabei erwarb er sich Respekt, Ansehen und gar Verehrung der Not leidenden Bevölkerung.”[1] heißt es über den Prior, der  die notleidende Bevölkerung zur Zeit des verheerenden 30-jährigen Krieges gegen plündernde Truppen eingesetzt hat. Bereits 1711 nannte man ihn den „Apostel des Monschauer Landes“


Die Rettung auf dem hohen Veen

Kennt ihr am Eifelsaum den langen Bergesrücken,
Nach dem am Ruhrgestad’ die Thalbewohner blicken,
Wenn sie im Lenz und Herbst den Winter wollen sehn,
Rheinlands Sibirien, kennt ihr das hohe Veen?

Da ging ein armes Weib, zum sechsten mal gesegnet
Zum Nachbardorf um Brot, doch unterwegs begegnet
Ihr unverhofft die Stunde ihrer Weh’n
als Schneegestöber rings umhüllt das hohe Veen.

Nach Hause lenkt sie um, doch ihre Kräfte fliehen.
vor einem Heil’genbild, dem Bilde von Marien
Sinkt sie gebärend hin, es häufet sich der Schnee
“Hilf, Mutter Gottes!” stöhnt ihr Herz in tiefem Weh.

“Bedenke, wie auch dich auf einer Pilgerreise
Die Stunde überrascht!” Sie stöhnt’s, und leise, leise
Pocht ihr das Herz, es lag in ihrem Schoß ein Kind,
Schnee war sein Kleid, sein Wiegenlied der Wind.

Sie nimmt es an die Brust, die mütterliche, warme.
Doch ach, sie wird zu Eis, erstarrt sind ihre Arme, 
Da naht auf stolzem Ross ein rüst’ger Reitersmann,
Er sieht das starre Weib mit ihrem Kindlein an.

Still steht das edle Ross, und scheint ihn anzuflehen,
Der Not durch rasche Tat als Ritter beizustehen.
Doch kalten Herzens gibt er seinem Ross den Sporn,
Vergebens sträubt es sich, dfer Reiter hackt im Zorn

Die scharfen Zacken tief ihm zwischen seine Rippen,
Da rennt es wütend fort, fort zu den nahen Klippen.
Hochbäumend warf es ihn am Rand des Felsens ab,
Dort in der tiefen Kluft fand er sein frühes Grab.

Rasch dreht das Ross sich dann, es eilet gleich dem Winde,
Und bald hat es erreicht die Mutter mit dem Kinde.
Es neiget seinen Kopf, und haucht sie wärmend an,
Dass beide neuen Lebensgeist in sich empfah’n;

Es haucht und hauchet fort, und sieh’! Die starren Glieder,
Sie tauen mälig auf, das Leben kehret wieder.
Die Mutter drückt das Kind inbrünstig an das Herz,
und freudig weinend blick ihr Auge himmelwärts.

Dann streichelt sie das Ross, das vor sie hin sich strecket,
Und ihr den Mantel beut, der seinen Rücken decket.
Sie hüllet sich hinein mit ihrem nackten Kinde
Besteiget dann das Ross, das sanft sie und geschwinde,

Zu ihrer Hütte trägt; still stand es an der Schwelle.
Mit ihren Kindern ist der Gatte bald zur Stelle.
Wer nennet ihr Gefühl? laut betete die Schar,
Gepriesen sei o Herr! Gepriesen immerdar!

(Fischbach) [2]

Gefunden in: Allseitiges Gemälde der Eifel und ihrer nächsten Umgebungen; Eine Schrift, zunächst für die einheimische Bevölkerung, dann aber auch für den Fremden, welcher den Landstrich näher zu kennen wünscht. – von einem katholischen Geistlichen der Eifel (Prüm 1885)
https://archive.org/details/bub_gb_W9wAAAAAcAAJ/page/n165/mode/2up?view=theater

[1] Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Stephan_Horrichem 
[2] Vermutlich der Name des Autors

Bildnachweis Titelbild: Von Steffen Heinz (Caronna) – Eigenes Werk, CC BY 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=25587515

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