Spuk auf Burg Manderscheid

Niederburg: Stich von Frans Hogenberg, 1576
 

Zu den Großmeistern der Gruselgeschichte gehören Schriftsteller wie Oscar Wilde mit seiner burleskenhaften Novelle „Das Gespenst von Canterville“1 und der Amerikaner Edgar Allen Poe. Beide gestalten die in der Eifler Sage vom „Spuk auf Burg Manderscheid“ auftretenden Motive wesentlich literarischer. Ich denke dabei an Poes Kurzgeschichte „Ein Fass Amontillado“2 und an den armen Poltergeist auf Schloss Canterville, der Ruhe findet, als seine Gebeine endlich beerdigt werden können.

Die nachfolgende Eifler Gespenstergeschichte ist gemessen an den genannten Meistererzählern eher schlicht. Und in meine Geschichtensammlung gehört sie allemal. Sie erinnert uns an die unüberbrückbaren Standesschranken des Mittelalters, an denen junge Liebende tragisch gescheitert sind. Der Standesdünkel ist ein Hauptmotiv zahlreicher Romane und Dramen seit Beginn des 18. Jahrhunderts. Die berühmtesten Beispiele aus der deutschen Literaturgeschichte sind die Dramen „Emilia Galotti“ von Lessing und Schillers Stück „Kabale und Liebe“.

Im Jahre 1844 wurden in der Niederburg bei Manderscheid Ausbesserungsarbeiten vorgenommen. Dabei fand man in der Wand neben dem großen Wachtturm eine Nische, deren Eingang zugemauert war. Der Raum war so groß, daß ein erwachsener Mensch zur Not aufrecht darin stehen konnte. Ganz oben an der Decke befand sich eine kleine Öffnung. Als die Steinmetzen die Vorderwand entfernten, fanden sie in dem Kämmerchen ein menschliches Gerippe, eine kleine irdene Schüssel und einen Stein zum Sitzen.

Die Alten in Manderscheid wußten diesen schauerlichen Fund zu erklären. Vor ein paar hundert Jahren lebte auf der Niederburg ein stolzer Graf, der das gewöhnliche Volk verachtete. Seine Tochter liebte einen von den Dienstmannen der Burgbesatzung, und dieser, ein schmuckes junges Blut, erwiderte ihre Liebe. Bei einer heimlichen Zusammenkunft wurde das ungleiche Paar überrascht, und der jähzornige Alte ließ den unglücklichen Liebhaber auf der Stelle töten. Seine Tochter aber ließ er in jener Nische einmauern. Durch die kleine Öffnung erhielt sie täglich ein wenig Nahrung, bis der Tod sie von ihrer Qual erlöste.

Von dieser Zeit an spukte es jahrhundertelang um die Mitternachtsstunde am alten Wachtturm. Der Spuk hörte erst auf, als man das Gerippe in ein christliches Grab gebettet hatte.“ [3]

Zur Geschichte der beiden Burgruinen:

Wenn zwei Burgen so nah beeinanderliegen , dann kann das mancherlei Ursachen haben. Ist es der Versuch eines Burgherrn, sich einen Neubau zu leisten, weil die ältere Festungsanlage nicht mehr den Anforderungen an Komfort oder Verteidigungsfähigkeit genügten? Oder stehen sich hier Gegner gegenüber, die sich nicht aus den Augen lassen wollen?

Die Manderscheider Burgen auf der Rückseite eines Notgeldscheins von 1919 des Kreises Wittlich

Im Fall der beiden Manderscheider Burgruinen ist das Letztere der Grund für ihre Erbauung. Mit den beiden Burgruinen manifestieren sich die Territorialen Konflikte des Herzogtums Luxemburg (Oberburg) und des Kurfürstentums Trier (Unterburg)

Erstmals wird die Oberburg in einer Urkunde Kaiser Ottos II aus dem Jahre 973 erwähnt, die sich im Besitz der Trierer Erzbischöfe befand. Die um 1150 erbaute Niederburg wurde zum Stammsitz der späteren Grafen von Manderscheid, einem der bekannten Rittergeschlechter der Eifel. Im Dreißigjährigen Krieg wurden beide Burgen von französischen Truppen zerstört. Um die Oberburg vor dem endgültigen Zerfall zu bewahren, hat die Gemeinde Manderscheid 1921 die Ruine der Oberburg restauriert. Die Niederburg mit ihren Festungsanlagen, die sie im 15. Jahrhundert uneinnnehmbar machte, ist in einem besseren Erhaltungszustand. Erhalten und restauriert sind die Vorburg, der Zwinger, Palas und die Burgkapelle. Die Niederburg befindet sich von 1899 bis 2018 im Besitz des Eifelvereins. Die Niederburg mit ihren Festungsanlagen, die sie im 15. Jahrhundert uneinnnehmbar machte, ist in einem besseren Erhaltungszustand. Das ursprüngliche Aussehen der Burgen ist heute nur noch in einem Stich von Merian dokumentiert. Erhalten und restauriert sind die Vorburg, der Zwinger, Palas und die Burgkapelle. Tausende Besucher zieht das jährlich wiederkehrende Burgenfest an, für das die beiden Ruinen eine hervorragende Kulisse bilden.

  1. Die Erzählung Das Gespenst von Canterville (englisch The Canterville Ghost) des irischen Schriftstellers Oscar Wilde erschien erstmals im Jahr 1887 Inhaltsangabe in Wikipedia ↩︎
  2. Der Ich-Erzähler Montrésor lockt den verhassten Fortunato, der sich noch für Montrésors Freund hält, während des Karnevals in die Gewölbe unter seinem Palazzo und mauert ihn dort als Rache für erlittene „tausendfältige Unbill“ lebend ein. ↩︎
  3. unbekannter Autor: Gefunden in Projekt Gutenberg ↩︎

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