Die Kleider des Herrn Jesus

Die Eifel und die an sie angrenzenden Städte Köln Trier und Aachen bewahren einige der bedeutendsten Reliquien der Christenheit. Die Windeln des Christkinds , das Lendentuch Jesu (das er bei seiner Kreuzigung trug), das Kleid Mariens – und das Tuch, in dem der Kopf von Johannes dem Täufer nach dessen Enthauptung geborgen wurde, befinden sich im Aachener Dom. Sie werden seit gestern wie alle 7 Jahre wieder im Dom zu Aachen ausgestellt und feierlich gezeigt, und man erwartet anlässlich der wegen Corona verschobenen „Aachener Heiligtumsfahrt“ mehr als hunderttausend Besucher.

Die Sandalen, mit denen Jesus als Wanderprediger durch das Heilige Land gegangen ist und auf auf dem See Genezareth über Wasser wandelte, findet man in der Basilika von Prüm. Köln hat zwar keine eigene Christusreliquie, aber dafür sollen hier die sterblichen Überreste der Heiligen Drei Könige hier auf den Jüngsten Tag warten, und der Heilige Rock, der unter seinen römischen Häschern versteigert wurde, hat es zusammen mit einem Kreuzigungsnagel, dem Zahn des Heiligen Petrus, den Sandalen des heiligen Andreas, einem Holzsplitter des Christuskreuzes bis in den Domschatz von Trier geschafft. Dabei sind die Reliquiare, das sind die kostbaren Aufbewahrungsbehältnisse für die religiösen Fetische vom materiellen Standpunkt aus betrachtet, ungleich kostbarer als die darin befindlichen Erinnerungsstücke.

Erinnerung an die Wallfahrten 1844 und 1891, Darstellung von 1891 Ausschnitt

Der Trierer Dom beherbergt seit Jahrhunderten mit teilweise langen Unterbrechungen das biblische Kreuzigungsgewand. In der Kaiserchronik, einer um 1140–1150 in Regensburg entstandenen Reimchronik, wird beschrieben, wie Helena den heiligen Rock zusammen mit anderen Reliquien nach Trier sandte. [1]

„Wie im Heidentume durch eigene Kraft, so ergreife auch
jetzt, Trier, den Primat über Gallien und Germanien, den
Dir schon Petrus, das Haupt der Kirche, verlieh, den ich,
Silvester, sein unwürdiger Diener und Nachfolger, durch
den Patriarchen von Antiochien, Agricius, Dir erneuere
und bestätige – zu Ehren der Kaiserin Helena, welche
In Trier geboren, die Stadt mit dem aus Judaa mitgebrachten

Körper des Apostels Matthias, nebst dem Rocke und dem
Nagel des Herrn, einem Zahne des heiligen Petrus, den
Sandalen des heiligen Andreas, dem Haupte des Papstes
Cornelius herrlich beschenkte und prächtig schmuckte.
Wer dies Privileg wissentlich angreift, sei exkommuniziert.“
„Echtheitszertifikat“ der Trierer Relquien, ausgestellt durch
Papst Papst Silvester I. (314 bis 335) [2]

Trotz der vermeintlichen Echtheit der Reliquien und des Bannspruchs eines Papstes aus dem 4.ten Jahrhundert über alle die Skeptiker wird die Echtheit dieser Christusreliquien seit Jahrhunderten bezweifelt. Anlässlich der Heiligrockwallfahrt aus dem Jahre 1545 äußerte sich der Reformator Martin Luther zu der fragwürdigen Reliquienverehrung. Er bezeichnete die Wallfahrten nach Trier als „Bescheißerey“ und als einen „Jahrmarkt des Teufels“, bei dem „falsche Wunderzeichen“ verkauft werden. Eine textilarchäologische Untersuchung aus dem Jahre 1974, die zu keinem wirklichen Ergebnis bezüglich der Echtheit der Textilien geführt hat, spielt dem Mythos des Heiligen Rocks in die Karten und sorgt alle zwei bis drei Jahrzehnte für Hunderttausende Pilger, die in die Domstadt an der Mosel zur Reliquienschau strömen. Denn wenn man nicht belegen kann, dass das Kleidungsstück „echt“ ist, heißt das ja im Umkehrschluss nicht, dass es „unecht“ ist.

Die katholische Kirche hat bis in die Neuzeit darauf bestanden, dass die Stoffreste einer antiken Tunika und auch die Lederreliquien tatsächlich dem Jesus von Nazareth gehört haben. Dabei nimmt sie dann auch Bezug auf Legenden , von denen man gar nicht weiß, ob sie nicht vielleicht selbst auch ausdrücklich zur Werbung für die religiösen Wallfahrten nach Trier in die Welt gebracht wurden oder zu diesem Zweck wiederbelebt wurden. Ob der Heilige Rock zu Trier tatsächlich das Gewand ist, das Jesus Christus bei seiner Kreuzigung getragen hat, wird wohl nie zu klären sein.

Heute hat das Bistum Trier eine neue Formel für den Umgang mit Reliquien gefunden: „Unabhängig von der Frage der „materiellen Echtheit“ kann aber festgehalten werden: Christen haben 800 Jahre lang die „Tunika Christi“ in Trier verehrt – als Zeichen für die Gegenwart des Mensch gewordenen Gottes in Jesus von Nazaret. Das steht historisch fest – und diese „spirituelle Echtheit“ ist sicher wichtiger als jede Antwort auf die Frage: „Ist er denn eigentlich echt?“- „ [3]

Bei so viel Ungewissheit darf es einen dann auch nicht wundern, dass sich bis in unsere Zeit hinein neue Legenden um den heiligen Rock bilden, wie die des Trierer Stadtführers und Bänkelsängers „Wolthär“ Liederschmidt. So könnte es auch gewesen sein.

[1] Kleine Geschichte der Tunika Christi – Der Heilige Rock – wichtigste Reliquie und Wallfahrts-Ziel im Trierer Dom im Internet:*
[2] Zitiert nach: https://www.spiegel.de/politik/der-gemanagte-rock-a-7ab653ed-0002-0001-0000-000042625060
[3] Geschichte der Tunika Von Helena bis 1512 https://www.bistum-trier.de/kultur-musik/der-heilige-rock/geschichte-der-tunika/

Beitragsbild: Von unbekannt, 1909 aufgelegt im Franz Manger Nf. Verlag – Scan einer Postkarte 1909, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=33866770

Weitere Quellen:
https://www.focus.de/kultur/diverses/die-tuchreliquie-heiliger-rock-wirft-neue-fragen-auf-kirchen_id_2412780.html

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