Karfreitagsprozessionen

Eine verschwundene Tradition

Ich habe bei Besuchen der Insel Malta, aber auch in Andalusien mehrfach Karfreitagssprozessionen erlebt. Bei diesen Umzügen wird das biblische Geschehen vom Alten Testament bis zum Leiden und Tod Christi augenfällig vorgespielt. Tausende Besucher säumen die Straßen, für die einen ist es ein religiöses Ereignis, für die anderen eher ein touristisches Event. Das Spektakel dauert manchmal mehrere Stunden. Römische Legionäre und Prätorianer in römischen Metallharnischen, Fußgruppen mit Darstellungen von biblischen Figuren und tonnenschere Tragebühnen, auf denen die Leidensgeschichte Christi in der Sema Santa, der Karwoche, figürlich dargestellt sind, werden von 30 und mehr Trägern durch die Straßen der Städte und Ortschaften getragen.

Begleitet werden die Prozessionen von Musikkapellen, die mit Trommeln und Hörnern ausgestattet sind und eine für unsere Ohren schrille und schräge Trauermusik intonieren.

Auch bei uns in der Eifel und an der Mosel waren solche Karfreitagsprozessionen verbreitet. In einem Buch von 1856 [1] beschreibt der Autor eine solchen Umzug in der Stadt Cochem wie folgt:

„Am heiligen Karfreitag zog vorhin eine große Prozession in der Stadt Cochem und um dieselbe herum. Lebende Personen stellten dabei die Hauptpersonen und wichtigsten Begebenheiten des Alten und neuen Testamentes vor. Zuerst kamen Adam und Ev; Diese einen Strauß oder Zweig mit Äpfeln tragend, wonach jener mit einem spitzen Stabe spießte. Hierauf folgten die Patriarchen; Jonas im Walfische sitzend und von vier Mann getragen; Samson, mit dem Eselskinnbacken tapfer auf die Philister losschlagend, endlich der Herr, umgeben von seinen zwölf Aposteln und so weiter. Die Kleider und Gegenstände, welche zu diesem Aufzug nötig waren, befanden sich in dem dortigen Kapuzinerkloster, und wer sich zu einer Stelle meldete, konnte das Betreffende erhalten.“

Der Autor beschreibt auch, dass es Wittlich und in Prüm solche Karfreitagssprozessionen gegeben hat. Die Tradition der bildkräftigen Prozessionen entstand in Deutschland vermutlich in den Jahren nach dem 30-jährigen Krieg. 1782 untersagte Kurfürst Clemens Wenzelaus die Inszenierung der Kreuzigung Christi bei solchen Prozessionen. Stattdessen sollte nur ein Bild des Heilands im Grab herumgetragen werden dürfen.

Heute gibt es in Deutschland nur noch wenige Karfreitagsumzüge. Die älteste ist die Karfreitagsprozession in Lohr am Main. Sie ist seit 1656 urkundlich belegt. Im Vergleich zu den mediterranen Inszenierungen des Leidens Christi sind die herumgetragenen Figuren eher bescheiden.

[1] Quelle: Schmitz, J.H. : Sitten und sagen, Lieder und Sprüchwörter und Räthsel des Eifler Volkes nebst Idiotikon, Trier 1856

© Marzellus BoosMellonia-Verlagzum Newsletter anmeldenBücher über die Eifel*

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